Kinderseiten
Meine Jugend und die Indianer
Als Kinder haben wir die meiste Zeit Indianer gespielt, meine Freunde und ich. Indianer oder Pferde oder beides zusammen. Im Hof stand ein kleines, buntes Tipi. Die Plane reichte nicht ganz bis auf den Boden. Das war ungünstig, denn unsere "Gefangenen" sind immer unter der Plane hindurchgeschlüpft und dann entkommen. Ein Erwachsener hat dann Hülsen in den Boden geschlagen, in die wir die Stangen hineinstecken konnten. Unser Tipi stand dann felsenfest und keiner konnte mehr abhauen. Ich denke gerne daran zurück. Wir hatten viel Spaß dabei. Ich baue immer noch Tipis auf, sowohl große, als auch kleine. Hier sind ein paar Fotos.
Wenn ihr mal Probleme habt, ein Tipi aufzubauen, ganz gleich wie groß es ist, könnt ihr mir Rauchzeichen schicken. - Nein, das war ein Witz. Aber ihr könnt mir eine Nachricht schicken. Und das meine ich ernst. Fragt bitte vorher einen Erwachsenen um Erlaubnis. Ich hätte damals echt Hilfe gebraucht. Spätestens als ich mein großes, selbst genähtes Tipi (Durchmesser 6 Meter) aufgebaut habe, wäre es sehr hilfreich gewesen, jemanden an meiner Seite zu haben. Jemanden, der oder die sich damit auskennt.
Doch Übung macht den Meister und so wusste ich schließlich, wie es geht. Etliche Jahre später habe ich mein Tipi gemeinsam mit Indianern aufgebaut und noch viele Tipps erhalten. Aber ich greife vor. Zurück zu meiner Kindheit.
Sobald ich lesen konnte, habe ich alles gelesen, was ich zum "Thema Indianer" finden konnte. Ich wollte auch immer alle Westernfilme ansehen, in denen Indianer vorkamen. In den Filmen haben sie meistens den Kampf verloren und ich fand das total ungerecht. Ich war immer auf der Seite der Indianer.
Als ich ein Teenager war, haben die Erwachsenen gedacht, ich würde mich bestimmt bald für andere Themen interessieren. Irgendwie haben sie mein großes Interesse an Indianern nicht ernst genommen. Das konnte ich überhaupt nicht verstehen. In der Schule wurde ich verspottet, weil ich ein Stirnband, Mokassins und einen Lederrock mit Fransen trug. Ich wollte wissen, wie es sich anfühlt, in Mokassins zu laufen und Lederkleidung zu tragen. Außerdem wollte ich damit zum Ausdruck bringen, wie sehr ich Indianer bewunderte. Das haben meine Mitschüler nicht verstanden. Ein Stirnband trage ich schon lange nicht mehr, höchstens ein Kopftuch, weil ich sonst einen Sonnenbrand auf dem Scheitel bekomme. Aber Mokassins kann ich noch immer nähen.
In meiner Teenagerzeit habe ich dann erfahren, dass sich Indianer für den Schutz der Natur einsetzen. Auch ich liebte schon immer die Natur, die Pflanzen und die Tiere - und vor allem die Pferde. Ich wollte immer so ein Pferd wie Black Beauty (Schwarze Schönheit) aus der Fernsehserie, die damals lief. Viele Jahre später habe ich sie bekommen, meine schwarze Schönheit. Mit ihr bin ich über die Hügelkuppen galoppiert, sattellos. Und ich konnte sie sogar neben meinem Tipi grasen lassen.
Als ich noch das Gymnasium besuchte, habe ich bereits die ersten Informationsstände in der Innenstadt aufgebaut. Dabei ging es um die Zerstörung der Natur auf dem Land, das eigentlich den Indianern gehört. Schon wieder war ich erschrocken über diese Ungerechtigkeit. Ich wollte, dass es möglichst viele Menschen erfahren. Zu jener Zeit gab es noch keine Informationen im Internet. Weil ich so aktiv war, hat die Zeitung damals sogar einen Bericht darüber geschrieben. Der Titel lautete: "Schülerin kämpft tapfer für die Belange des Volkes". Ich finde, das klingt irgendwie kitschig und außerdem gibt es ja nicht nur ein indianisches Volk. Aber gefreut habe ich mich trotzdem, denn schließlich ging es um eine gute Sache.
Als ich etliche Jahre später Indianer kennenlernte, erzählte ich ihnen begeistert soviel über den Natur- und Umweltschutz, eine gesunde Ernährung und eine natürliche Lebensweise, dass sie mir einen Namen gaben. Sie nannten mich "Mother Earth". Das ist englisch und heißt übersetzt "Mutter Erde". Das war mein allererster "indianischer Name". Zwar war er nicht in einer der Stammessprachen, sondern auf englisch, aber ich war erst einmal stolz darauf. Doch schon damals beschlich mich das Gefühl, dass sie mich damit auf den Arm genommen hatten. So richtig ernst gemeint schien das mit dieser Vergabe des Namens nicht zu sein. Im Laufe der Jahre sollten etliche weitere Namen folgen. Inzwischen weiß ich jedoch, wie das gemeint ist. Diese Namen sind im Grunde genommen Spitznamen. Wenn ich von etwas begeistert bin, neige ich dazu, andere mit Informationen zuzuschütten. Ich habe wohl etwas zu viel von Mutter Erde erzählt.
Ich kann euch später mal berichten, welche Spitznamen ich noch erhalten habe und warum. Einen richtigen "indianischen" Namen habe ich bis heute nicht. Aber das ist nicht schlimm. Ich bin sehr zufrieden mit meinem Namen "Carmen". Er kommt aus dem Lateinischen und heißt übersetzt "Lied", "Spruch" oder "Gedicht". Vielleicht neige ich deshalb dazu, viel zu viel auf einmal zu erzählen. Das könnte doch sein. Es gibt im Lateinischen den Spruch "Nomen est omen". Übersetzt heißt das: "Der Name ist ein Zeichen." Oder etwas verständlicher ausgedrückt: "Der Name deutet schon darauf hin."
Dieser Text ist auch schon wieder viel zu lang, Deshalb ist erst einmal Schluss mit Erzählungen aus meiner Jugendzeit. Später werde ich noch mehr berichten. Ich hoffe, ihr kennt mich jetzt schon etwas besser.