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Winnetou und Yakari - Helden der Kindheit
Wie gehen wir damit um?
Auch ich habe als Kind und (in einer veränderten Form) als Teenager mit Indianern ganz bestimmte bewundernswerte Eigenschaften in Verbindung gebracht. Auf der Seite "Meine Jugend und die Indianer" teile ich mit den Kindern einige Erinnerungen aus meiner Kindheit und weitere Erfahrungen aus meiner Jugendzeit. Dabei geht es unter anderem auch darum, eine Brücke zwischen der älteren und der jüngeren Generation zu schaffen. Dies ist mein Beitrag für ein besseres Verständnis.
Winnetou gehörte einige Zeit lang zu den Helden meiner Kindheit. Heutzutage ist es "Yakari" mit seinem Pferd "Kleiner Donner", der von vielen Kindern bewundert wird. Die Serie bedient jedoch erneut etliche Klischees und enthält darüber hinaus völlig falsche Darstellungen. Noch nicht einmal die Tipis sind korrekt gezeichnet. Das Stangengerüst wird (von innen betrachtet) so dargestellt, als hätte es gitterähnliche Querverstrebungen zwischen den geraden Stangen. Oben klafft ein großes Loch. Bei starkem Regen würden die Bewohner im Nassen sitzen. Der runde Eingang hat in der Serie einen Holzrahmen, der an einem weiteren Rahmen mit Scharnieren aus Holz befestigt ist. Wie ist es möglich, so eine Konstruktion an einer Plane zu befestigen? Um zu zeigen, wie ein Tipi wirklich konstruiert ist, habe ich hier ein paar Fotos eingefügt.
Es gibt bei den Tipis keine Querverstrebungen. Der Auf- und Abbau wäre dadurch viel zu kompliziert und zeitintensiv. Das Stangenkreuz wird so eng gestellt, dass es bei geschlossenen Rauchklappen möglichst keine Lücken mehr gibt. Das ist bei Starkregen sehr wichtig. Selbstverständlich haben wir in so einem Fall das Feuer ausgemacht. Die Eingangsklappe wird einfach an einem der Verschlussstifte an der Vorderseite eingehängt. Am unteren Ende befinden sich Schlaufen zur Befestigung an den Bodenheringen. Gegen Zugluft hilft ein Innenzelt.
Warum empfinde ich es als wichtig, darauf hinzuweisen? Es ist eine Frage des Respekts gegenüber dem kulturellen Erbe anderer Nationen. Selbst in den Zeiten, in denen es noch kein Internet gab, standen uns hier in Europa genug Informationen zur Verfügung. Ich kann es deshalb nicht nachvollziehen, dass bei der Produktion der Yakari-Serie so wenig Wert auf eine korrekte Darstellung gelegt wird. Ich mache immer wieder die Erfahrung, dass Kinder es ganz genau wissen möchten, wenn es darum geht, ein Tipi aufzubauen und sie interessieren sich auch dafür, wie die Rauchklappen funktionieren. Wäre all dies in der Serie korrekt dargestellt, dann könnten wir es aufgreifen und den Kindern weitere Materialien zur Verfügung stellen. Dann hätten sie die Möglichkeit, mehr über das Leben der Sioux in der damaligen Zeit zu erfahren und dies könnte sogar Hand in Hand mit Native Americans geschehen. Die falschen Darstellungen stehen einem solchen Austausch massiv im Weg. Als ich mir eine Szene angesehen habe, in der getrommelt und getanzt wurde, war ich entsetzt.
Beim Yakari-Kinofilm wurde mehr Wert auf eine korrekte Darstellung der Tipis gelegt. Bis jetzt habe ich nur Filmausschnitte gesehen und weiß deshalb nicht, ob dies auch für den Innenraum der Zelte gilt. Während einer Internetrecherche habe ich mir Videos über verschiedene Yakari-Produktionen angesehen. Darunter auch ein schon etwas älteres Musical und eine Pferdeshow. Ich bin schockiert darüber, wie viele stereotype Vorstellungen während dieser Veranstaltungen an die nächste Generation weitergegeben werden. Ein Argument, dass immer wieder genannt wird, um dieses Verhalten zu rechtfertigen, lautet: "Es sind fiktive Geschichten, so wie im Märchen." Yakari soll jedoch einen Sioux darstellen und ich bin mir sicher, dass es von sehr vielen Sioux keine positiven Kritiken für diese Produktionen geben wird.
Wenn die Kinder ein Abenteuer mit ihrem Helden Yakari erlebt haben, dann möchten sie dieses auch gerne nachspielen oder ein weiteres Abenteuer erfinden. Auch Yakaris Pferd "Kleiner Donner" ist bei vielen Kindern sehr beliebt. Bei unseren Veranstaltungen haben sie oft erzählt, wie begeistert sie von diesem gescheckten Pferd sind. Ich habe mich mit ihnen unterhalten, aber keinerlei Kritik geäußert. Es wäre nicht der richtige Zeitpunkt gewesen. Es ist mir wichtig, immer wieder zu betonen, dass wir sie behutsam dort abholen sollten, wo sie gerade stehen.
Ich habe nicht das Recht, ihnen Yakari und das Pferd Kleiner Donner wegzunehmen. Ich will sie nicht aus ihren fantasievollen Traumwelten reißen, um sie dann rücksichtslos mit der Realität und den geschichtlichen Hintergründen zu konfrontieren, die zu einem erschreckend großen Teil grausam und brutal sind. Solange die Yakari-Geschichten weiterhin gezeigt werden, möchte ich die Kinder nicht davon abhalten, auf ihrem gescheckten Traumpferd neben einem Indianerkind über die Prärie zu reiten. Stattdessen möchte ich meinen Teil dazu beitragen, dass Kindern Informationen zur Verfügung stehen, die dazu geeignet sind, auf eine spielerische Art und Weise diese verzerrten Bilder zu korrigieren.
In den USA wird die Kinderserie "Molly of Denali" ausgestrahlt. Leider gibt es die Episoden bis jetzt nur in englischer Sprache. Zwischen dem, was Kindern durch "Molly of Denali" vermittelt wird und dem, was sie durch "Yakari" erfahren, liegen Welten. In den USA sind wesentlich größere Fortschritte zu beobachten, während Deutschland gewaltig hinterher hinkt. Und das, obwohl "die" Deutschen sogar unter vielen Native Americans für ihre "Indianerbegeisterung" bekannt sind.
Winnetou - Ein Held der älteren Generation und die Weitergabe von Stereotypen an Kinder und Jugendliche
Ich bin, wie viele andere auch in meinem Alter, mit den Winnetou-Filmen und Büchern aufgewachsen. Der Presse gegenüber habe ich mal gesagt, dass ich zur "Winnetou-Generation" gehöre. Einige Leser fanden das nicht gut. Warum nicht? Es ist doch so. Das erste Karl-May-Buch bekam ich in die Hände, sobald ich einigermaßen flüssig lesen konnte. Es war der Band "Winnetou I". Dieses Buch zu lesen, war für mich eine echte Herausforderung, aber ich las sogar gewissenhaft die seitenlangen Landschaftsbeschreibungen. Irgendwann wurde mir das zu viel und ich beschloss, diese Textpassagen einfach zu überspringen.
Ich war so fasziniert von den Winnetou-Geschichten, dass ich in einem "Indianerkleid", das ich nach einer Vorlage aus einem Buch selbst genäht hatte, nach Elspe gefahren bin, um eine Theateraufführung mit Pierre Brice als Winnetou zu erleben. Ich kann mich noch gut daran erinnern, dass ich jemandem vom Sicherheitspersonal einen handgeschriebenen Brief mit der Bitte übergeben habe, diesen an Pierre Brice weiterzureichen. Den genauen Inhalt weiß ich nicht mehr, aber ich hatte ihn mit ganz vielen "indianischen Symbolen" verziert.
Begegnungen, die nachdenklich stimmen - Besuch der Karl-May-Festspiele gemeinsam mit einem indianischen Gast aus den USA
Viele Jahre später war ich wieder in Elspe. Doch diesmal sahen wir uns das Theaterstück gemeinsam mit einem Native American aus den USA an. Freunde hatten uns dazu eingeladen. Unser Gast nahm das Ganze mit viel Humor. Es ist ihm wichtig, mit den Menschen ins Gespräch zu kommen. Ich kenne Native Americans, mit denen ich nicht zu einer der Karl-May-Bühnen fahren würde, um ein Winnetou-Theaterstück anzusehen. Die Begegnungen, die sich in Elspe ergeben haben, wären anders verlaufen. Kurz nach der Ankunft begegneten wir einem Mann, der sich, als "Indianer" gekleidet, auf der Mainstreet der Westernstadt aufhielt. Unser Gast bat ihn um ein gemeinsames Foto. Der Mann wirkte überrascht und ich glaube, er war verunsichert. Ich hätte kaum noch ein Wort herausgebracht, wenn damals plötzlich ein Native American auf mich zugekommen wäre, als ich in meinem "Indianerkleid" auf der selben Mainstreet herumgelaufen bin. Die Kleidung des Mannes war kein einfaches Kostüm. Sie sah im Großen und Ganzen gut aus. Die Situation, in der ein Native American in Jeans neben einem Europäer in indianischer Tracht stand, wirkte seltsam und stimmt nachdenklich. Ich befinde mich oft in einem Zwiespalt. Auf der einen Seite kann ich es nachempfinden, woher diese Faszination an dem kulturellen Erbe der Native Americans kommt und warum es einem so schwerfällt, sich von den idealisierten und romantisch verklärten Vorstellungen zu lösen. Andererseits sehne ich Veränderungen herbei, die in den USA und Kanada schon seit geraumer Zeit deutlich sichtbar sind. Es ist schwer zu ertragen, dass wir hier in Deutschland so gewaltig hinterherhinken.
Während der Theateraufführung mussten wir unseren Gast ständig mit einem geflüsterten "Psst" daran erinnern, dass seine Sprüche und sein Gelächter zu laut waren. Native Americans in "Teasing-Laune" sind fast nicht mehr zu bremsen. In der Vergangenheit hätten wir um Haaresbreite beim Zelten einen Platzverweis bekommen, weil wir uns das Lachen nicht verkneifen konnten. Das war morgens so gegen vier Uhr. Das Teasing ist eine Form der liebevollen Neckerei, kann in einigen Situationen jedoch auch Kritik enthalten. Nach der Theatervorführung nahmen wir an einer Backstage-Tour teil, die durch einen Wolkenbruch ein abruptes Ende fand. Wir versuchten, ein trockenes Plätzchen zu finden und wurden dabei von unseren Freunden getrennt. Plötzlich stand Winnetou vor uns. Der Schauspieler hatte erfahren, dass sich ein Native American auf dem Gelände aufhielt. Die beiden schüttelten sich die Hand und hatten ein sehr gutes Gespräch. Ich habe diese Begegnung noch immer vor Augen.
Als wir gemeinsam in Elspe waren, habe ich erkannt, wie wichtig es ist, indianischen Gästen Informationen über Karl May und die Winnetou-Geschichten zu geben, damit sie all das, was sie hier in Deutschland zu sehen bekommen, besser verstehen können. Ich wünsche mir, dass ein intensiver Austausch mit Native Americans stattfinden kann, um die Darstellungen und Inhalte der Theaterstücke zu verändern. Leider sind viele Bühnen nicht dazu bereit, auf stereotype und völlig falsche Darstellungen zu verzichten, bzw. gehen Kompromisse ein, die ich mit Skepsis betrachte. Es hat den Anschein von Rechtfertigungsversuchen. Viele Jahre nach unserem Besuch in Elspe tauschte ich mich mit unserem indianischen Gast darüber aus, wie seine Stammesnation, die Kiowa, auf der Freilichtbühne in Bad Segeberg dargestellt wurden. Wir telefonierten miteinander, während wir uns im Internet eine Tanzszene ansahen. Er sagte zu mir: "We look like cavemen." ("Wir sehen aus wie Höhlenmenschen.") Ich denke, diese kurze Feststellung spricht Bände. Wie kann es sein, dass in der heutigen Zeit eine indianische Stammesnation auf einer deutschen Bühne so dargestellt wird, dass ein Bürger dieser Nation den Vergleich zu Höhlenmenschen zieht?
"Der junge Häuptling Winnetou" - Ein deutscher Kinofilm, der im Jahr 2022 erneut stereotype Vorstellungen bedient
In den USA gibt es immer mehr Filme, die in enger Zusammenarbeit mit Native Americans gedreht wurden, wie z.B. der Kinofilm "Killers of the Flower Moon". Es ist bei diesen Produktionen selbstverständlich, dass entsprechende Rollen von Native Americans gespielt werden. Darüber hinaus kommen ständig neue Filme auf den Markt, die komplett von Native Americans produziert wurden. Solche Filme sind in Deutschland kaum bekannt und es kommt nur selten vor, dass sich deutsche Produktionsfirmen intensiv darum bemühen, indianische Schauspieler für ihre Projekte zu gewinnen, selbst wenn dies mit Kosten für Flugtickets verbunden ist.
Es wäre sehr wichtig, dass schon vor dem Schreiben eines Drehbuchs Kontakte zu Native Americans bestehen und nicht erst, wenn die Filmproduktion bereits im vollen Gang ist. In der Vergangenheit zogen Firmen in Deutschland Native Americans als Berater hinzu, die keine fundierten Kenntnisse über die Stammesnation hatten, um die es bei der Produktion ging. Das macht keinen Sinn. Im TV-Dreiteiler "Winnetou – Der Mythos lebt", der im Dezember 2016 vom Sender RTL ausgestrahlt wurde, unterhalten sich die Apache auf Lakota. Das wäre genauso, als würden die Schauspieler in einem Film über Spanien türkisch sprechen. Spätestens seit dem Kinofilm "Der mit dem Wolf tanzt", der auch immer wieder im Fernsehen gezeigt wird, wissen viele Menschen in Deutschland, wie sich die Lakota-Sprache anhört. Dies ist nur eine Kritik von vielen, die der RTL-Dreiteiler erhalten hat.
Im August 2022 kam der Film "Der junge Häuptling Winnetou" in die deutschen Kinos. Im Vorfeld der Produktion hatte ich eine Anfrage erhalten, Es ging dabei um das Drehbuch und "kulturelle Beratung". Als Sensitivity Reader gebe ich Hinweise darauf, welche Stellen in einem Drehbuch problematisch sind. Eine kulturelle Beratung kann jedoch nur gemeinsam mit den Stammesnationen geschehen, die in dem Film dargestellt werden sollen. Ich erhielt eine Geheimhaltungsvereinbarung, die ich unterschreiben sollte. Das ist bei Drehbüchern üblich und ich habe vollstes Verständnis dafür. Doch das Schreiben war so formuliert, dass es mir nicht möglich gewesen wäre, Passagen aus dem Drehbuch mit Native Americans zu besprechen. Aus diesem Grund sah ich keinerlei Möglichkeit einer Zusammenarbeit. Heute bin ich froh, dass es sich so entwickelt hat.
Als ich von den Medien im Zusammenhang mit der Filmpremiere um Interviews gebeten wurde, erhielt ich die Möglichkeit, den Film anzusehen. Ich hatte sehr gemischte Gefühle dabei und kam mittendrin an einen Punkt, an dem ich mich dazu durchringen musste, den Film bis zum Schluss anzuschauen. Ich realisierte, wie wichtig es ist, dass ein Austausch mit Native Americans während der gesamten Produktionszeit stattfindet. Eine Beratung beim Schreiben des Drehbuchs reicht bei weitem nicht aus. Gegenüber der Presse habe ich die verwendeten Requisiten als "lieblos" bezeichnet. Als Motiv für eine Überblendung zur nächsten Szene wurde ein kleiner Reifen gezeigt. Die kreuz und quer darüber gespannten bunten Fäden folgten keinem Muster. Nicht ganz in der Mitte war mit einem dicken Knoten eine Feder befestigt. Ich habe ähnliches in Kindergärten gesehen. Dort wurde mir mitgeteilt, es seien Traumfänger und sie hätten sie stark vereinfacht, weil dass Spannen der Fäden für die Kinder zu schwierig gewesen wäre. Ich bin der Meinung, dass es dann besser ist, auf deren Herstellung zu verzichten. Es ist eine Frage des Respekts. Das Foto zeigt einen Traumfänger, den ich als Geschenk für jemanden gestaltet habe. Ich füge es hier ein, um zu zeigen, wie das Netz eines Traumfängers aussieht. Ich empfinde es als wichtig, die richtige Technik zu vermitteln, auch wenn viele Kinder das Netz nicht so akkurat hinbekommen.
Der lieblos wirkende Reifen mit Feder, der im Film eingeblendet wird, ist nur ein Beispiel. Darüber hinaus sind etliche Tierschädel zu sehen, die an Pfählen befestigt wurden. Das Innenzelt (Lining) des Tipis, in dem sich Winnetou gemeinsam mit seiner Schwester und dem Gefangenen Tom Silver in einer Szene aufhält, ist mit seltsamen Motiven bemalt. Etwas, das ganz offensichtlich einen fliegenden Vogel darstellen soll, sieht aus wie ein Flugzeug. Neben dem Eingang ist ein weiterer Vogel zu sehen, der eher an eine gerupfte Ente erinnert. Ich füge an dieser Stelle ein weiteres Foto ein, auf dem ein Tipi zu sehen ist, das von Kindern in Deutschland gemeinsam mit dem indianischen Gast bemalt wurde, der sich das Theaterstück in Elspe angesehen hat.
Er arbeitet im Bereich American Indian Education und widmet sich in seiner Freizeit der Kunst. Das Pferd besteht aus geometrischen Formen, die er auch in seinem Kunstunterricht verwendet hat. Die Kiowa sind früher den Bisonherden über die Prärie (die großen Ebenen) gefolgt. Die Stammesnationen, die diese Lebensweise hatten, wurden in den alten Büchern als "Prärieindianer" bezeichnet. Das Motiv ähnelt denen, die auch auf historischen Abbildungen von Tipis zu sehen sind. Er möchte nicht, dass es kopiert wird. Die Kultur, die Lebensart und die Traditionen der Mescalero-Apache, zu denen die fiktive Romanfigur "Winnetou" laut Karl May gehört, unterscheiden sich sehr von denen der Prärieindianer. Im Film "Der junge Häuptling Winnetou" wurde dies nicht deutlich. Ähnlich wie in den alten Filmen mit Pierre Brice, die in den 1960er Jahren Premiere hatten, wurden Teile des kulturellen Erbes verschiedener Stammesnationen ein halbes Jahrhundert später erneut miteinander vermischt. Wir empfinden dies als sehr frustrierend.
Umso wichtiger ist es, dass bei zukünftigen Film- und Theaterproduktionen eine enge Zusammenarbeit mit Native Americans stattfindet, die mit der Kultur, den Traditionen und der Geschichte ihrer Stammesnation vertraut sind. Es gibt viele Museen, die von den Tribal Nations und Communities betrieben werden. Die Leiterin eines solchen Museums hat während einer Videokonferenz dazu aufgerufen, bei der Suche nach geeigneten Beratern, die Stammesverwaltung zu kontaktieren. Wenn im Film oder im Theaterstück mehrere Stammesnationen vorkommen, dann ist der Kontakt zu einer Nation nicht ausreichend.
Im Film "Der junge Häuptling Winnetou" sind nicht nur das Setting, die Kostüme und die Requisiten problematisch, auch das Verhalten der Charaktere entspricht an etlichen Stellen nicht dem, was Mescalero-Apache als einen respektvollen Umgang ansehen. Ein Beispiel ist die Tanzszene, in der die Darstellerinnen Kostüme tragen, die an Fransen-Bikinis mit verlängerten Oberteilen erinnern. Bei den traditionellen Tänzen der Apache wäre dies undenkbar. Darüber hinaus besteht die Trommelmusik aus dem üblichen Vierer-Takt-Rhythmus, den wir bereits aus den alten Wildwest-Filmen kennen und die Tanzbewegungen sind noch nicht einmal annähernd korrekt.
Gegen Ende des Films hält der Häuptling Intschu tschuna eine Rede. An seinen Sohn Winnetou gerichtet, spricht er dabei u.a. die folgenden Worte: "... dank dir sind die Büffel wieder zurückgekehrt."
Winnetou antwortet daraufhin: "Die Ehre gilt einem anderen. Dem, der mein Leben und das unseres Stammes gerettet hat."
Deshalb sagt Intschu tschuna kurze Zeit später: "Tom Silver, der große Geist hat dich geschickt." Der Junge flüstert ein "Ja".
Intschu tschuna fährt fort: "Als Zeichen, niemandem zu misstrauen, nur weil deren Haut eine andere Farbe hat. Unsere Augen können uns trügen, nicht aber unser Herz." Tim Silver sagt: "Danke."
Nachdem der Häuptling noch die Worte "Wir sind dir zu großem Dank verpflichtet" hinzugefügt hat, ertönt dieser Ruf, der immer wieder als "Indianergeheul" bezeichnet wird. Dabei ist deutlich zu erkennen, wie sich mehrere Darsteller mit der Hand auf den Mund schlagen. Dadurch bekommen die jungen Kinobesucher erneut den Eindruck, dass dies unter Native Americans eine gängige Praxis ist und unsere indianischen Gäste werden dann auch in Zukunft wieder mit diesem Geheul begrüßt.
Die Szene, in der Intschu tschuna (nach dem Hinweis von Winnetou) einem weißen Jungen für die Rettung des Stammes dankt. ist jedoch noch aus einem ganz anderen Grund heraus problematisch. In vielen älteren Filmen, auch denen, die in den USA produziert wurden, ist es letztendlich "der weiße Held" ("the white hero"), der die Indianer rettet. Diese Darstellungen werden von Native Americans kritisiert, weil ihre Kinder und Jugendlichen, angesichts der großen Anzahl solcher Produktionen, den Eindruck bekommen, es gäbe nur Helden mit einer hellen Hautfarbe. Dies hat einen negativen Einfluss auf ihr Selbstwertgefühl. Der Kinofilm "Der mit dem Wolf tanzt", bei dem sehr viel Wert auf eine korrekte Darstellung gelegt wurde, kommt ebenfalls nicht ohne einen "weißen Helden" aus. Dies ist aus der Sicht von Native Americans einer der Hauptkritikpunkte.
Als der Ravensburger-Verlag die beiden Bücher zum Film vom Markt nahm, fühlte ich mich erleichtert
In mindestens einem der beiden Begleitbücher zum Film "Der junge Häuptling Winnetou", die der Ravensburger Verlag vom Markt genommen hat, wird das Wort "Squaw" verwendet. Das habe ich gesehen, als die Bücher noch online angepriesen wurden. Die damals amtierende US-Innenministerin, Deb Haaland, die selbst eine Native American ist, hat im November 2021 das Wort "Squaw" offiziell zu einem abwertenden Begriff erklärt. Mehr als 660 geografische Stätten in den USA, die dieses Wort in ihrem Namen tragen, wurden und werden umbenannt. Die Art und Weise, wie dieses Wort während der Kolonialzeit und noch weit darüber hinaus verwendet wurde, war der Grund für diese Entscheidung. Aus Rücksicht auf die Kinder kann ich an dieser Stelle nicht näher auf die Bedeutungen des Wortes eingehen. Weitere Informationen sind Online zu finden, bzw. demnächst im Login-Bereich für Erwachsene.
In den USA wurden also hunderte von Stätten umbenannt, weil das Wort "Squaw" eine Herabwürdigung und Beleidigung indianischer Frauen darstellt. Und hier in Deutschland wurde fast zeitgleich ein Buch für Kinder produziert, das genau dieses Wort enthält. Unsere Kinder bekommen dadurch den völlig falschen Eindruck, dass es in Ordnung sei, eine Native American so zu bezeichnen. Aus diesem Grund und wegen der Weitergabe von stereotypen Vorstellungen an die nächste Generation habe ich die Entscheidung des Verlags, die Bücher vom Markt zu nehmen, in mehreren Interviews öffentlich befürwortet und "erntete" dafür einen Shitstorm. Mir war entgangen, dass quasi über Nacht ein neues Konstrukt entstanden ist, dass von einigen Medien unter reißerischen Überschriften, wie z.B. "Winnetou in ewige Jagdgründe geschickt", verbreitet wurde.
Soll Winnetou abgeschafft werden? - Wer hat dies angeblich gefordert?
Am 23.08.2022 fing morgens mein Telefon an zu klingeln und hörte bis in die Abendstunden hinein nicht mehr auf. Parallel dazu landeten weitere Interviewanfragen in unserem E-Mail-Postfach. Dies geschah kurz nachdem der Ravensburger Verlag die zwei Bücher vom Markt genommen hatte. Beide tragen den Titel "Der junge Häuptling Winnetou". Die Untertitel lauten: "Das Buch zum Film" und "Das Erstlesebuch zum Film". Auf Instagram hatte der Verlag seine Entscheidung begründet:
Wir haben die vielen negativen Rückmeldungen zu unserem Buch „Der junge Häuptling Winnetou“ verfolgt und wir haben heute entschieden, die Auslieferung der Titel zu stoppen und sie aus dem Programm zu nehmen.
Wir danken Euch für Eure Kritik. Euer Feedback hat uns deutlich gezeigt, dass wir mit den Winnetou-Titeln die Gefühle anderer verletzt haben. Das war nie unsere Absicht und das ist auch nicht mit unseren Ravensburger Werten zu vereinbaren. ...
Aus der Formulierung "dass wir mit den Winnetou-Titeln die Gefühle anderer verletzt haben" entstand über Nacht ein neues Konstrukt, obwohl doch klar sein sollte, dass es sich hier ausschließlich um die beiden Bücher zum Film „Der junge Häuptling Winnetou“ handelt. Auf einmal stand die Forderung nach einem Verbot der Karl May Bücher und der alten Winnetou-Filme im Raum und ein Aufschrei von gewaltigen Ausmaßen ging, von etlichen Medien noch gründlich angefeuert, durch die Bevölkerung.
Sowohl das Verbot von "Indianerkostümen", als auch die Forderung nach einer Ächtung der Romanfigur "Winnetou" sind reine Erfindungen einiger Medien, die bereits dafür bekannt sind, dass sie aus Mücken Elefanten machen. Skandale, ganz gleich, ob real oder nicht, sind ihr tägliches Brot. Andere sind dann nur noch, ohne zu hinterfragen, auf den bereits fahrenden Zug aufgesprungen. Denn die Devise lautet:: Schnell, schnell, denn sonst haben die Konkurrenten einen Vorsprung, der nicht mehr aufzuholen ist.
Nach der Veröffentlichung der ersten Schlagzeilen wurde in Deutschland die "Suppe" aus der Gerüchteküche wochenlang immer wieder neu aufgekocht. Das Ganze ist so absurd, dass es sich nur noch mit Humor und Ironie ertragen lässt und deshalb konnte ich es mir nicht verkneifen, diese Grafik zu gestalten .
Übersetzung: "Woher kommt dieser seltsame Gestank?" - "Die Gerüchteküche der Weißen Männer macht Überstunden."
Ich habe mehrere Artikel über die angeblichen Forderungen nach einem Winnetou- und einem "Indianerkostüm"-Verbot geschrieben und weitere Informationen und Links gesammelt. Wer sich dafür interessiert, kann gerne Kontakt zu mir aufnehmen.