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Projekte und Ferienfreizeiten - Warum sie so wichtig sind
Viele Menschen haben Sorge, dass sie sich dem Vorwurf der kulturellen Aneignung aussetzen, wenn sie eine Ferienfreizeit, einen Kindergeburtstag, Waldwochen im Kindergarten, Projekttage, ein Sommerfest oder ein Schulprojekt organisieren und es dabei um die Kulturgüter der indianischen Stammesnationen geht.
Mittlerweile ist es so, dass die Anzahl solcher Veranstaltungen ständig abnimmt. Es herrscht eine große Verunsicherung darüber, wo genau die Grenzen zwischen kultureller Aneignung und kultureller Wertschätzung verlaufen. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, Veranstaltungen und Projekte durchzuführen, ohne dass es dabei zur kulturellen Aneignung kommt.
Die Kinder-Tipis auf diesem Foto wurden unter der Anleitung eines indianischen Künstlers von Kindern in Deutschland bemalt. Er ist in den USA im Bereich "American Indian Education" tätig und unterrichtet unter anderem auch Kunst. So ist ein kleines Tipi-Dorf entstanden, in dem die Kinder begeistert spielen. Sie sind dabei nicht verkleidet und tragen auch keinen nachgemachten Federschmuck. Sie können selbst ausprobieren, wie ein Tipi aufgebaut wird. Dafür steht ihnen ein Kinder-Tipi mit Zubehör zur Verfügung. Sie erfahren, wie praktisch Wiegenbretter sind und wie sicher ein Baby in einem solchen aufgehoben ist.
Ich war sehr oft gemeinsam mit Native Americans in Kindergärten, Schulen und in Freizeitcamps und mir geht das Herz auf, wenn ich an die Begegnungen denke, die dadurch ermöglicht wurden. Wir entwickelten im Laufe der Jahre Bastelangebote und Aktionen, die das Miteinander fördern. Ich habe einiges davon bereits im Login-Bereich zusammengetragen. Weil es immer einfacher wird, über das Internet weltweit miteinander zu kommunizieren, haben wir jetzt noch viel mehr Möglichkeiten, Wissen aus erster Hand zu erhalten als jemals zuvor. Native Americans stellen ständig weitere Informationen ins Netz und dazu gehören auch Videos für Kinder und Jugendliche. Sie sind in englischer Sprache verfasst. Ich habe jedoch schon mehrere Musikvideos gefunden, die anhand der Darstellung auch ohne Englischkenntnisse zu verstehen sind. Einige Videos und Spiele fördern sogar das Erlernen der englischen Sprache, weil einfache Wörter und kurze Sätze verwendet werden. Zur Zeit bin ich dabei, Kontakt zu Native Americans aufzunehmen, die in pädagogischen Bereichen tätig sind. Es gibt inzwischen eine ständig wachsende Anzahl von Kinderbüchern, die von Native Americans verfasst und illustriert wurden. Ich hoffe, dass es gelingt, diese in Zukunft in deutscher Sprache zu veröffentlichen.
In der Vergangenheit wurden sehr oft stereotype Vorstellungen vermittelt
Wir haben sehr viel Aufklärungsarbeit in Form von Fortbildungsveranstaltungen für pädagogische Fachkräfte und Workshops für Kinder geleistet. Leider ist es uns nicht gelungen, eine breitere Öffentlichkeit zu erreichen. Zu Beginn der Diskussionen über kulturelle Aneignung und über die Verwendung des Wortes "Indianer" hatten wir die Hoffnung, dass es endlich zu tiefgreifenden Veränderungen kommen würde. Doch das ist nicht geschehen. Die stereotypen Vorstellungen sind nach wie vor weit verbreitet. Stattdessen hat diese ganze Entwicklung inzwischen einen Verlauf genommen, mit dem wir nicht gerechnet haben. Zur Zeit ist die Situation noch schlimmer als je zuvor.
Seit in pädagogischen Einrichtungen auf das Wort "Indianer" verzichtet wird und seit stattdessen die neue Bezeichnung "das böse I-Wort" eingeführt wurde, schwindet das Interesse der Kinder. Dadurch, dass sie sich nicht mehr unbefangen über Indianer unterhalten können, geraten diese immer mehr aus ihrem Fokus.
Hinzu kommt noch, dass Bücher aus den Regalen geräumt wurden, weil sie das Wort "Indianer" enthalten. Wir haben jahrzehntelang darauf hingewiesen, dass diese Bücher nur bedingt dazu geeignet sind, Kindern und Jugendlichen Wissen über indianische Stammesnationen und Communities zu vermitteln. Sie wurden aus einer anderen Sichtweise heraus verfasst und enthielten sehr oft Pauschalaussagen und Halbwahrheiten bis hin zu gravierenden Fehlern. Aber immerhin erhielten die Kinder und Jugendlichen anhand von Illustrationen einen ersten Einblick in die Vielfalt der Stammesnationen auf dem nordamerikanischen Kontinent. Jetzt stehen ihnen diese Bücher nicht mehr zur Verfügung.
Weil parallel dazu kaum noch Ferienfreizeiten oder Projekte stattfinden, haben Kinder und Jugendliche nicht mehr viele Möglichkeiten, ihr Wissen über die indianischen Stammesnationen zu vergrößern. Das Anschauen von Videos reicht bei weitem nicht aus. Während der Projektwochen in Kindergärten und Schulen und während der Ferienfreizeiten hatten Kinder und Jugendliche die Möglichkeit, in eine andere Welt einzutauchen. Ich kann mich noch sehr gut an die Waldwochen erinnern, die ein Kindergarten gemeinsam mit der Grundschule veranstaltet hat. Wir hatten ausreichend Zeit, um im Wald einen Wigwam zu bauen. Dazu haben wir alles verwendet, was uns nach einer Rodung an Material zur Verfügung stand.
In den USA und Kanada gibt es ähnliche Projekte, die von Native Americans organisiert und durchgeführt werden. Oft geschieht dies Hand in Hand mit Revitalisierungsprogrammen zur Förderung der jeweiligen Stammessprache. Wenn wir die technischen Möglichkeiten nutzen, die uns heute zur Verfügung stehen, dann kann ein direkter Austausch zwischen den Kindern und Jugendlichen auf beiden Seiten des Ozeans stattfinden. Dafür ist es jedoch erforderlich, dass im Vorfeld dieser Begegnungen sowohl die Kinder und Jugendlichen als auch die Erwachsenen, die an einem solchen Projekt teilnehmen möchten, Informationen über stereotype Vorstellungen erhalten. Dazu gehören auch Klischees, die in den USA und Kanada über Deutsche verbreitet wurden. Während eines Telefonats, bei dem indianische Jugendliche mit anwesend waren, ist mir bewusst geworden, dass sich auch dort etliche Stereotypen hartnäckig gehalten haben. Das Wissen über Unterschiede in der Sicht- und Denkweise ist ebenfalls sehr wichtig, um Missverständnisse und Konflikte möglichst zu vermeiden. Durch einen respektvollen Umgang und eine offene Kommunikation können wir Verständigungsprobleme gemeinsam erkennen und auflösen.