"Indianer" - Unsere Vorstellungen und wie es wirklich ist
Die Basis für eine Begegnung mit Native Americans auf Augenhöhe

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Das Wort "Indianer" - Sprachliche Verwirrungen

In Deutschland herrscht eine ständig zunehmende Verunsicherung darüber, welche Begriffe wir noch verwenden sollten. Sprachen haben sich schon immer verändert. Bei diesem Prozess ist es jedoch wichtig, genau zu erklären, warum bestimmte Bezeichnungen problematisch sind. In letzter Zeit wird immer mehr von dem aufgearbeitet, was während der Kolonialzeit geschehen ist. Es geht um Heilung und um Frieden. Verbotsforderungen, Anschuldigungen und Beschimpfungen stehen dieser sehr positiven Entwicklung im Weg. Deshalb ist es wichtig, dass wir uns auf der Basis von Fakten gemeinsam auf die Suche nach Lösungen begeben.

Zu Beginn der Diskussionen über die Bezeichnung "Indianer" gab es sehr gute Ansätze für positive Veränderungen. Vielen Menschen ist bewusst geworden, dass sie stereotype Vorstellungen übernommen haben. Inzwischen hat diese Entwicklung jedoch eine andere Richtung eingeschlagen.  

Kinderbücher, in denen das Wort "Indianer" steht, wurden aus den Regalen geräumt. Ganz offensichtlich war es allein die Verwendung dieser Bezeichnung, die zu der Entscheidung führte. Ich habe nicht den Eindruck, dass die Inhalte genau überprüft wurden.


Ich werde von Autoren und Übersetzern angeschrieben und gefragt, wie sie jetzt mit dem Wort "Indians" umgehen sollen. Zum Teil handelt es sich dabei um historische Romane. Wenn zum Beispiel Buffalo Bill zitiert wird und er "Indians" gesagt hat, dann ist das eine Tatsache. Die Bezeichnung "Native Americans" ist erst in den 1970er Jahren entstanden und Buffalo Bill hat sie definitiv nicht verwendet. Die Vergangenheit lässt sich nicht dadurch verändern, dass man im Nachhinein den Menschen andere Wörter in den Mund legt. Wir hätten noch die Möglichkeit, das Wort "Indian" im Original stehen zu lassen, wenn wir es nicht mit "Indianer" übersetzen möchten. Aber ist das wirklich sinnvoll? Ich empfinde es als wichtig zu beachten, in welchem historischen Kontext der Text entstanden ist.

Das Problem besteht darin, dass inzwischen immer mehr Verlage keine Bücher mehr veröffentlichen, in denen das Wort "Indianer" benutzt wird. Sie haben ganz offensichtlich Sorge, dass sich diese Bücher in Zukunft nicht gut verkaufen lassen, oder dass sie sich mit der Publikation der Gefahr eines Shitstorms aussetzen könnten. Was geschieht jedoch, wenn wir das Wort "Indianer" weglassen? Welche Wörter könnten wir stattdessen benutzen? Indigene? Ureinwohner? Native Americans? First Nations? Urvölker? Bewohner der Schildkröteninsel?


Ich verwende seit Jahrzehnten die Bezeichnung "Native Americans" in Pressetexten, Interviews und Vorträgen und parallel dazu die Wörter "Indianer" und "indianisch". Als ich noch an der Organisation von Powwows in Deutschland beteiligt war, gehörte es mit zu meinen Aufgaben, die Poster und Flyer zu erstellen. Wir konnten nicht auf das Wort "indianisch" verzichten, weil sonst kaum jemand verstanden hätte, was das für ein Fest ist. Deshalb stand in den Untertiteln: "Indianisches Tanzfest" oder "mit indianischen Tänzern aus den USA", wenn noch zusätzlich Native Americans von dort angereist waren. Ich war bei vielen dieser Powwows Master of Ceremonies (MC). Das heißt, ich war für den Ablauf und die Moderation in englischer und deutscher Sprache zuständig. Es wäre schon allein aus zeitlichen Gründen nicht möglich gewesen, auf das Wort "indianisch" zu verzichten. Bei solchen Veranstaltungen sind nahezu ständig zusätzliche Durchsagen erforderlich: Falsch geparkte Autos, gefundene Schlüssel, Kinder auf der Suche nach den Eltern, die Vergabe von Tombola-Preisen und zuvor nicht angekündigte Besonderheiten (Specials). Die Bezeichnung "indigen" war damals in diesem Zusammenhang überhaupt nicht in Gebrauch. Während der gesamten Zeit hat sich kein einziger Native American über das Wort "indianisch" beschwert und die deutschsprachigen Besucher mit wenig Englischkenntnissen, darunter auch viele jüngere Kinder, haben alles sofort verstanden.  

Der Versuch, die Bezeichnung "Native American" komplett in den deutschen Sprachgebrauch zu integrieren, bringt einige Probleme mit sich. Wenn ich sage, dass ich mit indianischen Künstlern zusammenarbeite, dann weiß jeder sofort, wer damit gemeint ist. Wenn wir das Wort "indianisch" vermeiden wollen, so stellt sich die Frage, durch welche Wörter wir es ersetzen sollten. Die Kombination aus zwei englischen und einem deutschen Wort kommt mir, ehrlich gesagt, nur sehr schwer über die Lippen: "In der Ausstellung sind Werke von Native American Künstlern zu sehen." Vielleicht liegt es auch einfach nur daran, dass wir es nicht gewohnt sind. Ich könnte statt "Native American" das Wort "indigen" verwenden: "Indigene Künstler präsentieren ihre Werke." Doch dann ist nicht klar, welche Künstler von welchen Kontinenten. Ich müsste es also so ausdrücken: "Die Videokonferenz findet gemeinsam mit indigenen Künstlern aus Nordamerika statt." Doch wie viele Menschen geben zum jetzigen Zeitpunkt "Veranstaltungen mit indigenen Künstlern aus Nordamerika" in die Suchmaschinen ein? Es bringt indianische Künstler, die sich einen Markt in Deutschland erschließen möchten, keinen Schritt weiter, wenn sie aus Gründen der politischen Korrektheit im Internet von ihren potentiellen deutschsprachigen Kunden nicht gefunden werden. Wobei sich noch die Frage stellt, wie wir genau definieren, was "politisch korrekt" bedeutet.



Die Bezeichnung "Ureinwohner Nordamerikas" ist ebenfalls nicht wirklich dazu geeignet, das Wort "indianisch" zu ersetzen: "Ich arbeite mit nordamerikanischen Ureinwohner Künstlern zusammen." Oder: "Ich arbeite mit Künstlern zusammen, die Ureinwohner Nordamerikas sind." Das klingt schon wesentlich besser, ist jedoch länger und umständlicher. Ähnlich verhält es sich, wenn ich zum Ausdruck bringen möchte, dass mir ein indianisches Gericht sehr gut geschmeckt hat: "Ich habe das nordamerikanische Ureinwohner Essen sehr genossen." Oder: "Ich habe das Essen, dass von den nordamerikanischen Ureinwohnern stammt, sehr genossen." Bei einem einzelnen Satz ist das noch machbar, aber wenn es um einen Vortrag, einen längeren Artikel oder die Moderation einer Veranstaltung geht, dann wird es schwierig. Mal ganz abgesehen davon, dass viele Menschen mit dem Begriff "Ureinwohner" nach wie vor ganz bestimmte Vorstellungen verbinden.

Der englische Begriff "Native Americans" wird oft mit "Ureinwohner Nordamerikas" übersetzt. Doch das trifft es nicht ganz. Im Englischen wird eine Person auch dann als "native" bezeichnet, wenn "sie an einem bestimmten Ort geboren oder durch Geburt mit einem Ort verbunden ist, unabhängig davon, ob sie später dort ansässig ist oder nicht". Hier sind zwei Beispiele, die ich im Internet gefunden habe: "A native of Montreal / an eighteen-year-old Brooklyn native".

Das englische Wort "native" wird also auch im Sinne von "heimisch" und "gebürtig" verwendet. Amerikaner, die keine indianischen Wurzeln haben, betonen immer wieder, dass sie sich ebenfalls als Einheimische betrachten: "Ich bin hier geboren, also bin ich auch ein Native." Sie verwenden dies als Argument im Rahmen von Diskussionen über kulturelle Aneignung.

Kinder, die nur deutsch sprechen und noch keinen Englischunterricht hatten, werden beim Vorlesen das Wort "Native" so aussprechen, wie es ihnen beim Lesenlernen von deutschen Texten beigebracht worden ist. Als ich während eines Telefonats darauf hingewiesen habe, sagte meine Gesprächspartnerin: "Olivenöl". Wir haben beide herzhaft gelacht. Daran hatte ich noch gar nicht gedacht. Deutschsprachige Kinder könnten denken, es handelt sich um naturbelassenes, kaltgepresstes Olivenöl. Was für ein riesengroßes Missverständnis.


Mir ist noch ein weiteres gutes Beispiel für das Wörter-Chaos eingefallen, das entstehen kann, wenn Menschen sich darum bemühen, der Forderung nach politischer Korrektheit gerecht zu werden. Im November wird in den USA der "National Native American Heritage Month" gefeiert. Auch das US-Militär hier in Deutschland organisiert dann Veranstaltungen und ich habe oft indianische Künstler vermittelt und Ausstellungen aufgebaut. Wir waren damals viel gemeinsam unterwegs. Beim Blick auf die Plakate und Banner ist mir aufgefallen, dass die Schriftzüge immer wieder verändert wurden. Der "Native American Heritage Month" wurde im Laufe der Zeit mehrmals umbenannt. Von "National American Indian Heritage Month" über "National Native American Indian Heritage Month" hin zu "National American Indian and Alaska Native Heritage Month".


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Jemand stellte damals die Frage: "Und wie wird es dieses Jahr genannt?" Andere reagierten mit einem Achselzucken und einem "Whatever" ("Wie auch immer"). Ein Native American sagte grinsend: "Just call me Indian." ("Nennt mich einfach Indianer.") Wir haben oft gemeinsam darüber gelacht, sowohl die Natives als auch die Non-Natives. - So werden wir als "Weiße" genannt. Wir sind die "Non-Natives". Vor all diesen Hintergrundinformationen betrachtet, stimmt auch diese Bezeichnung nachdenklich. Das ist mir erst beim Schreiben des Beitrags aufgefallen. Und wie steht es um den Begriff "Weiße"? Ist dieser nach wie vor angemessen? 

Am Beispiel des National Native American Heritage Month wird deutlich, dass bereits über einen langen Zeitraum hinweg Unsicherheiten darüber bestehen, welche Begriffe politisch korrekt sind. Eine vollständige Klarheit gibt es nach wie vor nicht. Deshalb bin ich froh darüber, dass wir die Plakate, Flyer und Poster nutzen konnten, die auf der Internetseite des BIA, das zum US-Innenministerium gehört, als Download zur Verfügung gestellt wurden. Die Feierlichkeiten laufen jedes Jahr unter einem anderen Motto.