"Indianer" - Unsere Vorstellungen und wie es wirklich ist
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Die Bezeichnung "Indianer" - Politische Korrektheit

Der Begriff "Native Americans" gilt in den USA schon seit Jahrzehnten als politisch korrekt. Aber die Bezeichnung "Indians" ist nach wie vor in Gebrauch.


Nachdem ich vor knapp 36 Jahren bei einem Powwow (indianisches Tanzfest) in Deutschland Native Americans kennengelernt hatte, verbrachte ich viel Zeit mit ihnen. Es dauerte nicht lange und ich erfuhr, dass sehr viele Indianer den Begriff "Native Americans" bevorzugen. Seitdem habe ich in Gesprächen mit ihnen diese Bezeichnung verwendet und es hat sich herausgestellt, dass es eine gute Entscheidung war. Ich bin in all den vielen Jahren nur einmal damit angeeckt. Ein Indianer aus Kanada wies mich darauf hin, dass er zu den "First Nations" gehört. Dort gilt dieser Begriff als politisch korrekt. Doch nicht alle Indigenen in Kanada gehören zu den First Nations. Bis vor einiger Zeit stand auf einer Internetseite der kanadischen Regierungsbehörde "Crown-Indigenous Relations and Northern Affairs Canada" folgender Text, den ich übersetzt habe:

In Kanada werden die Urvölker (englisch: original peoples) als "Indigenous Peoples" oder "Aboriginal Peoples" bezeichnet. In der Kanadischen Verfassung werden drei Gruppen der "Aboriginal Peoples" anerkannt: Die "First Nations" ("die Ersten Nationen", früher wurde das Wort "Indians" verwendet), die Inuit (früher als "Eskimo" bezeichnet) und die Métis. Allein zu den First Nations gehören mehr als 630 indianische Gemeinden. Diese repräsentieren mehr als 50 Nationen und über 50 indigene Sprachen.

Inzwischen wurde die Seite aktualisiert. Ich möchte den neuen Text noch übersetzen, weil dadurch deutlich wird, wie groß die Veränderungen sind, die in den USA und Kanada stattfinden. Dieses ältere Zitat gibt einen ersten Einblick in die Komplexität des Themas. Die Frage danach, welche Bezeichnungen politisch korrekt sind, lässt sich nicht einfach so und mit wenigen Sätzen beantworten. Meine Suche nach möglichst kurzen Erklärungen für die Besucher dieser Internetseiten, wirft ständig weitere Fragen auf:

Wie viele Informationen haben wir einfach so übernommen, ohne sie zu hinterfragen?

Wer hat darüber zu entscheiden, was politisch korrekt ist?

Welche Rolle spielen die Medien bei der Verbreitung von Informationen und wie zuverlässig sind diese?

Ich hatte also schon vor mehreren Jahrzehnten die Information, dass die Bezeichnung "Native Americans" in den USA als politisch korrekt gilt. Doch vor nicht allzu langer Zeit besuchte ich die Internetseiten des BIA. So lautet die Abkürzung für "Bureau of Indian Affairs" ("Amt für indianische Angelegenheiten"). Es handelt sich dabei um eine Regierungsbehörde, die zum US-Innenministerium gehört. In letzter Zeit schaue ich mir zwischendurch die Internetpräsenz des BIA an, um zu sehen wie sich alles entwickelt. Dort gibt es auch eine Seite mit FAQs (Frequently Asked Questions). Unter "Why are American Indians and Alaska Natives also referred to as Native Americans?" steht folgender Text, den ich hier auszugsweise wiedergeben möchte:

When referring to American Indian or Alaska Native persons, it is still appropriate to use the terms “American Indian” and “Alaska Native.” ... They also refer specifically to persons eligible for benefits and services funded or directly provided by the BIA. ... The term “Native American” came into broad usage in the 1970's as an alternative to “American Indian.” 


Übersetzung inkl. Überschrift:
 
Warum werden American Indians und Alaska Natives auch als Native Americans bezeichnet?

Wenn man auf Personen Bezug nimmt, die American Indians oder Alaska Natives sind, ist es noch immer angemessen, die Begriffe "American Indian“ und „Alaska Native“ zu verwenden. ... Sie beziehen sich auch speziell auf Personen, die Anspruch auf Leistungen und Dienstleistungen haben, die vom BIA finanziert oder direkt bereitgestellt werden. ... Der Begriff „Native American“ kam in den 1970er Jahren als Alternative zu „American Indian“ in großem Umfang zur Anwendung.


Der Text beinhaltet einen Hinweis darauf, dass es unter anderem auch rechtliche Gründe dafür gibt, warum an dem Begriff "American Indians" festgehalten wird. Es geht um den "Anspruch auf Leistungen und Dienstleistungen", der vertragsrechtlich geregelt ist. Mögliche Veränderungen müssten vorher von Rechtsanwälten sorgfältig geprüft werden.


Eine Regierungsbehörde, die zum US-Innenministerium gehört, das unter der Biden-Administration von Deb Haaland, einer Native American (Pueblo of Laguna) geleitet wurde, bezeichnet also den Begriff "American Indian" als "still appropriate", als  "noch immer angemessen". Kindern hier in Deutschland wird jedoch gesagt, das Wort "Indianer" sei rassistisch.

Im November 2021 erklärte Deb Haaland offiziell, dass es sich bei dem Wort "Squaw" um eine beleidigende und abwertende Bezeichnung handelt. In den USA wurden und werden seitdem mehr als 660 geografische Stätten umbenannt. Sehr viele indianische Frauen haben jahrzehntelang gefordert, dass dieses Wort nicht mehr verwendet wird und Deb Haaland konnte dies endlich durchsetzen. Das Wort "Squaw" wird in Deutschland nach wie vor benutzt und stand auch in mindestens einem der Begleitbücher zum Film "Der junge Häuptling Winnetou", die vom Ravensburger Verlag vom Markt genommen wurden. In diesem Zusammenhang möchte ich betonen, dass die angebliche Forderung nach einem Winnetou-Verbot von einigen Medien erfunden wurde, die bereits dafür bekannt sind, dass sie solche und ähnliche Gerüchte verbreiten.


Es gibt unter Indianern keine Einigung darüber, welche Bezeichnung alle verwenden sollten.

Wenn ich Native Americans frage, wie sie zu der Bezeichnung "Indians" stehen, erhalte ich sehr unterschiedliche Antworten. Während einer weiteren Internetrecherche wurde ebenfalls deutlich, dass längst nicht alle Native Americans den Begriff "American Indians" strikt ablehnen. Dafür gibt es verschiedene Gründe, die ich zu einem späteren Zeitpunkt noch näher erläutern werde. An dieser Stelle möchte ich erst einmal eine kleine Anekdote einfügen:

Wir hatten soeben das Auto vor einem großen Supermarkt in Kaiserslautern geparkt und waren auf dem Weg zum Eingang. Da sah mein indianischer Begleiter einen Native American auf dem Parkplatz stehen und er sagte: "Look at that Indian over there." ("Schau mal, da ist ein Indianer."). Dazu deutete er mit der Unterlippe in die Richtung. Das ist bei seinen Landsleuten eine weit verbreitete Art und Weise auf etwas hinzudeuten, ohne mit dem Finger darauf zu zeigen. Ich kann mich noch daran erinnern, was auch meine Oma immer gesagt hat: "Man zeigt nicht mit dem nackten Finger auf angezogene Leute." Mein Begleiter ging also zu dem Native American und begann ein Gespräch.

Sicher könnte man jetzt sagen: "Wenn Native Americans sich untereinander als "Indians" bezeichnen, dann haben wir noch lange nicht das Recht, dies ebenfalls zu tun. - Ja, das kann man so sehen. Ich habe immer wieder Native Americans kennengelernt, die großen Wert darauf legen, dass man sie eben nicht als "Indians" bezeichnet. Die meisten von ihnen lehnen diesen Begriff dann aber komplett ab und verwenden ihn auch nicht untereinander. Oft sind es Native Americans der älteren Generation, die nach wie vor das Wort "Indian" benutzen. Sie sind damit aufgewachsen und in der Regel verzichten sie in Gesprächen mit Kindern und Jugendlichen ebenfalls nicht auf den Gebrauch.

Parallel dazu schwenken immer mehr Native Americans der jüngeren Generation auf andere Begriffe um. Zur Zeit heißt es oft: "I'm indigenous." ("Ich bin indigen.") Ich habe den Eindruck, dass damit unter anderem auch das Verbundenheitsgefühl und die Solidarität mit anderen "Indigenous Peoples" ("Indigenen Völkern") zum Ausdruck gebracht wird. Viele Native Americans nennen darüber hinaus oder als erstes die Stammesnation oder den Namen der indianischen Community, zu der sie gehören. Dabei wird immer mehr Wert darauf gelegt, möglichst die ursprüngliche Eigenbezeichnung zu verwenden.

Wenn wir uns noch nicht gut kennen, benutze ich fast immer den Begriff "Native Americans". Und ich tue dies auch in der Öffentlichkeit im Rahmen von Interviews etc., um der Forderung nach politischer Korrektheit in diesen Momenten gerecht zu werden. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass es gut ist, offen zu bleiben und sich nicht an einem Begriff festzuklammern.

Ich hoffe, es ist mir gelungen, mit diesen wenigen Beispielen einen ersten Eindruck davon zu vermitteln, wie komplex das Thema ist. Für weitere Fragen stehe ich gerne zur Verfügung.


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